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Reinhold-Tüxen-Preis

Presseartikel


"Nur was man kennt, kann man auch schützen"


d450837901Rinteln (wm). „Ich habe ja schon manche Urkunde, aber noch nie eine so prächtige bekommen", freute sich Professor Dr. Heinrich Weber sichtlich am Freitagmittag, als er im Rathaussaal das Dokument für seinen Reinhold-Tüxen-Preis in Augenschein nahm, einen Preis, den er dann offiziell im Rahmen einer Feierstunde zwei Stunden später im Ratskellersaal von Bürgermeister Karl-Heinz Buchholz entgegen nehmen konnte.
Und noch ein Extra-Lob für die Stadt durfte Buchholz beim Small Talk entgegennehmen, als die Sprache auf den Generationenpark der Stadt kam – jede Familie pflanzt hier für ein Kind einen Apfelbaum. 120 Sorten, berichtete Buchholz.

„Eine ganz tolle Idee", kommentierte spontan Professor Dr. Richard Pott, Vorsitzender des Kuratoriums der Reinhold- und Johanna-Tüxen-Stiftung und lieferte gleich eine handfeste wissenschaftliche Begründung mit: Alte Sorten zu erhalten sei wichtig – nicht nur beim Obst – unter anderem, damit der Gen-Pool nicht ausdünnt werde und man bei Pflanzenerkrankungen immer auf die Wildform zurückgreifen könne.

Die Laudatio auf Preisträger Professor Dr. Weber hielt dann im Ratskellersaal Professor Dr. Henning Haeupler aus Bochum, der Weber einen „Herkules der Geobotanik" nannte, der den „Augiasstall" früher Brombeerforschung ausgemistet habe. Weber sei mit ein Pionier der Bio-Kartierung und er habe bei der Arbeit mit dem Professor immer wieder gestaunt, wie Weber „selbst bei 50 Stundenkilometer aus dem Auto heraus" jede Brombeerart am Wegesrand exakt habe taxieren können. Eine Statistik, die staunen lässt: 265 Wissenschaftstitel gleich 7541 Seiten hat Weber bisher veröffentlicht, darunter einige „Mehrpfünder". Und Weber sei es dabei sogar immer gelungen „den Wissenstransfer" vergnüglich zu gestalten. Webers Einsatz für Naturschutzgebiete ist verdientermaßen dann auch mit dem Bundesverdienstkreuz gewürdigt worden. Haeupler wies in diesem Zusammenhang auf den Stellwert wissenschaftlicher Arbeit hin: „Nur was man kennt, kann man auch effektiv schützen!"

d269256908Weber erinnerte bei seinen Dankesworten an die Anfangsjahre der Brombeerforschung, in der sich alle Botaniker bemüht hätten „diese Pflanzen möglichst weiträumig zu umgehen" und schilderte seine eigene Überraschung, als er zum ersten Mal vor einer mit Brombeeren überwucherten Wallhecke gestanden und erkannt habe, dass es bis dahin noch nicht einmal eine praktikable Methode gab, diese Arten überhaupt zu beschreiben. Für ihn als Wissenschaftler gleichzeitig eine komfortable Situation und Herausforderung: „Es gab viel zu erforschen." Weber bedauerte, dass die Nachwuchsgeneration Pflanzen nur noch mit molekularen Methoden erfasse, das könne auf Dauer zu einem „Verlust des Überblicks" führen

Professor Dr. Joachim Hüppe aus Hannover, der am Freitagabend über Landschaften in Niedersachsen in einem öffentlichen Vortrag referierte, nutzte die Gelegenheit, um ein paar Vorurteile zu korrigieren: In der Diskussion um die Magerrasenfläche in Krankenhagen war von Kommunalpolitikern wie Lesern kritisch angemerkt worden, hier habe der Naturschutzbund Bäume fällen lassen. Selbstverständlich, so Hüppe, müsse der Mensch hier eingreifen, um die gewünschte Landschaftsform zu erhalten. Auf der anderen Seite sollten Naturschutzgebiete für Menschen zugänglich bleiben.

Wenn man am Abend dann im Brückentorsaal Hüppes wissenschaftlicher Bilderreise von den Inseln über Watt, Geest, Moor, Heide zu den Weserbergen bis in den Harz folgte und das waren neben den Wissenschaftlern auch Rintelner Biologielehrerinnen, Forstmitarbeiter und Nabu-Vereinsmitglieder waren rudimentäre Lateinkenntnisse zumindest kein Nachteil.

Den Zuhörern dürften zumindest am Ende drei Dinge in Erinnerung bleiben: Die Natur ist ständig im Wandel und „Einwanderer" aus der Flora anderer Länder hat es schon im 18. Jahrhundert gegeben. Mit Karten zeigte Hüppes, wie intensiv in weiten Teilen Niedersachsens inzwischen jeder Quadratmeter Boden intensiv genutzt wird – Natur im klassischen Sinn ist rar geworden. Die einst Quadratkilometer großen Moorflächen sind sogar praktisch so gut wie verschwunden.

© Schaumburger Zeitung, 11.05.2009



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